LaVida: 6 Januar 2018,

Cushing


In den letzten Jahren ist das Wissen über die Cushing Krankheit, benannt nach dem Amerikanischen Chirurgen Harvey W. Cushing (1869-1939) enorm gewachsen aber noch ist bei weitem nicht alles erforscht.
Bei jedem Pferd laufen täglich unzählige Stoffwechselvorgänge ab, die über die sogenannten Regelkreise organisiert werden.
Diese Regelkreise sind sehr flexibel und müssen sich ständig den jeweiligen Bedarf des Körpers anpassen. Es grenzt meiner Meinung nach an ein Wunder, das diese empfindlichen Systeme meist völlig störungsfrei arbeiten.
Das wohl bedeutendste Beispiel eines solchen Systems ist die Hypothalamus–Hypophysen– Nebennierenrindenachse-Achse, die auch Stressachse genannt wird.
Der Hypothalamus ist eine wichtige „Schaltzentrale". Er ist ein Gehirnbereich im Zwischenhirn und befindet sich unterhalb (=hypo) des Thalamus. Der Hypothalamus koordiniert als übergeordnetes Zentrum Wasser-, Salzhaushalt und Blutdruck. Er sorgt dafür, dass die Körpertemperatur konstant bleibt und regelt die Nahrungsaufnahme. Der Hypothalamus beeinflusst das Gefühls- und Fortpflanzungsverhalten und bestimmt, den Schlaf-Wach-Rhythmus.
Im Hypothalamus werden verschiedene Hormone gebildet. Einige Hormone heißen „releasing" Hormone (freisetzen). Sie bewirken, dass in der Hirnanhangsdrüse Hormone produziert und ausgeschüttet werden. Die Hormone der Hirnanhangdrüse steuern ihrerseits die Bildung anderer Hormone oder wirken direkt auf Zielorgane im Körper. Die sogenannten Inhibiting (hemmend) Hormone sind die Gegenspieler der Releasing Hormone. Denn sie hemmen die Hormonproduktion in der Hirnanhangsdrüse.
Im Hypothalamus werden unter anderem das Hormon CRH (Releasing Hormon) und Dopamin (Inhibiting Hormon) gebildet.
Das CRH Hormon gelangt über Blutgefäße in die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) und fördert dort die Produktion des adrenocorticotropen Hormons (ACTH).
Die Hypophyse auch Hirnanhangsdrüse oder Glandula pituitaria genannt ist beim Pferd ca. 21-27 mm klein, wiegt zwischen 1,85 und 2,8 g und hängt wie ein Tropfen unterhalb des Hypothalamus und befindet sich an der Unterseite des Pferdegehirns. . Die Hypophyse kann als "Ausführungsorgan" des Hypothalamus betrachtet werden.
Die Hirnanhangdrüse lässt sich in die Neurohypophyse (Hinterlappen) und die Adenohypophyse (Vorderlappen) unterteilen. Obwohl der Hypophysenvorderlappen mit dem Hypothalamus verbunden ist, ist er kein Teil des Gehirns, sondern eine typische Hormondrüse. Der Vorderlappen besteht aus verschiedenen Zelltypen. In diesen Zellen werden Hormone gebildet: Zum Beispiel das Nebennierenrinden-stimulierende (adrenocorticotrope) Hormon (ACTH). Der Hinterlappen bildet selbst keine Hormone. Er ist ein Teil des Gehirnes, nämlich eine Ausstülpung des Zwischenhirns. Die Region zwischen beiden Lappen wird Pars intermedia genannt.

Das im Vorderlappen produzierte ACTH gelangt über die Blutbahn zu den Nebennieren.
Jedes Pferd hat 2 Nebennieren die jeweils aus zwei Anteilen dem Nebennierenmark (innen) und außen die Nebennierenrinde bestehen. Die Nebennieren liegen am oberen Ende der Nieren. Die Größe der Nebennieren unterliegt rasse-, geschlechts- und altersbedingten Schwankungen und sind bei Streß, Trächtigkeit und Laktation deutlich vergrößert.
Das ACTH stimuliert, in der Nebennierenrinde die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol. Cortisol ist ein lebenswichtiges Hormon, das viele Stoffwechselfunktionen im Körper steuert. So ist es am Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweißstoffwechsel beteiligt.Im Körper wird eigentlich immer nur so viel Cortisol ausgeschüttet, wie vom Organismus benötigt wird. Hierfür sorgt ein spezieller Stopp Mechanismus auch negatives Feedback genannt. Denn wenn genügend Cortisol vorhanden ist, bewirkt dieses Hormon im Vorderlappen der Hypophyse, dass die Produktion und Ausschüttung von ACTH herunter gefahren wird. So entsteht ein hormonelles Gleichgewicht.
Bei einem an Cushing erkrankten Pferd, sind die Nervenbahnen zerstört, die das Dopamin vom Hypothalamus zur Hirnanhangdrüse transportieren. Es ist nicht genügendes Dopamin vorhanden, um die Produktion und Ausschüttung von ACTH zu stoppen. Dies führt zu einer extrem hohen ACTH Produktion und in Folge dessen zu einer Überproduktion von Cortisol und weiteren Hormonen. Wobei die Serum – Konzentration nicht unbedingt höher sein muss als normal aber die Verlaufskurve folgt nicht mehr dem natürlichen circadianen Rhythmus (Maximum morgens und Minimum gegen Mitternacht). Als Folge vergrößert sich die Pars intermedia tumorartig, daher kommt auch die Bezeichnung PPID (Pituitäre Pars Intermedia Dysfunktion).
Insgesamt sind die Vorgänge an der Hirnanhangdrüse noch weitaus vielschichtiger: Es wird nicht nur ACTH sondern auch andere sogenannte Pro-Opiomelanocortin (POMC)- ausgeschüttet: So zum Beispiel das melanocyte stimulating hormone (MSH), welches für die Fellveränderungen bei den Cushing Pferden verantwortlich gemacht wird; auch das Beta- Endorphin wird vermehrt hergestellt, wodurch betroffene Pferde zum Beispiel lethargisch und Schmerzresistent werden können.
Zudem erhöhen MSH und das Beta Endorphin die steroidalen Eigenschaften von ACTH. Diese spielen wahrscheinlich ebenfalls eine Schlüsselrolle in der energetischen Homöostase, dem Ausgleich der Insulin-Wirkung auf die Blutzuckersenkung und der Regulation des Immunsystems.

Der genaue Mechanismus zur Entstehung von Cushing ist allerdings bis heute nicht im ganzen geklärt.




• Hirsutismus: zu langes und dichtes, schließlich lockiges Fell. Zu Beginn der Erkrankung fallen längere Haare unter dem Kinn und an der Rückseite der Beine auf. Der Fellwechsel kann verzögert sein. Teilweise bleiben einzelne lange Haare aus dem Winterfell auch im Sommer stehen. Im weiteren Verlauf wird der gestörte Fellwechsel deutlicher, und die Haare werden am ganzen Körper länger, häufig lockig und sind teilweise farblich verändert.

• Hufrehe kann bei bis zu 50% der vom ECS betroffenen Pferde auftreten und ist höchstwahrscheinlich eine Folge der Insulinresistenz.

• Fettumverteilung mit Fettdepots über den Augen und am Mähnenkamm

• Muskelabbau und Abmagerung führen zu Senkrücken und Hängebauch. Einige Pferde entwickeln einen „Tonnenbauch“.

• Schwitzen ohne körperliche Belastung

• Teilnahmslosigkeit / Apathie

• Geschwächtes Immunsystem

• Übermäßiges Trinken und Wasserlassen

• Schlechte Wundheilung

• Magengeschwüre und Maulschleimhautläsionen

• Fruchtbarkeitsstörungen und anhaltende Laktation bei Stuten

• Neurologische Symptome wie Ataxie und Narkolepsie

Die Symptome sind vielfältig, da Cortisol ein breites Wirkungsspektrum besitz.



Im Blutbild können erhöhte Leberwerte, Hyperglykämie sowie erhöhte Triglyzeride sichtbar sein.
Zur weiteren Diagnostik wird im Moment meist der ACHT Wert gemessen.

Dazu sollte man aber wissen, dass die ACTH Ausschüttung einem zirkadianen Rhythmus (Konzentration am Morgen höher als am Abend) unterliegt. Einen weiteren Einfluss auf die ACTH Konzentration hat auch die Jahreszeit. Mit Verkürzung der Tageslichtlänge im Herbst erhöht sich die ACTH-Konzentration im Plasma sowohl bei gesunden als auch bei kranken Pferden. In verschiedenen Studien wurden in den Monaten von August bis Oktober signifikant höhere Werte gemessen, die niedrigsten Werte fand man im Januar.

Entscheidend ist auch die allgemeine Situation/Verfassung des Pferdes. Hat es Schmerzen, Stress, friert das Pferd, bekommt es Medikamente oder hat Hunger? Dies kann zu ebenso wie chronische Erkrankungen (u.a. EMS, KPU) einer Erhöhung des ACTH Wertes führen. Bei sensiblen Pferd kann alleine das Blutabnehmen den ACTH Wert in die Höhe treiben. Die von Labor zu Labor unterschiedlich angegebenen Referenzbereiche, in der ein ACTH Wert noch als „normal“ betrachtet wird sind statistische Hauptgruppen. Doch woher weiß ich, dass mein Pferd nicht zu den statistischen Ausreißern gehört?
Ein weiterer Punkt ist die korrekte Durchführung: Einige Labore empfehlen eine Probenentnahme morgens zwischen 8 und 10 Uhr. Das Pferd sollte über Nacht und während der Probenentnahme ruhig sein. Da ACTH instabil ist, muss das EDTA-Plasma sofort nach Entnahme abzentrifugiert werden.

Eine Weitere, wie ich finde bessere oder zumindest zusätzliche Möglichkeit ist der Overnight-Dexamethason-Suppressionstest (DST). Dieser Test galt lange als Goldstandard. Bei diesem Test wir am Vorabend die Höhe des körpereigenen Cortisols bestimmt. Daraufhin bekommt das Pferd Dexamethason (Kortison) in den Muskel gespritzt, dies soll ein negatives Feedback bewirken und eine Blutentnahme am nächsten Morgen. Hat sich der Cortisolspiegel herunterregeln lassen geht man davon aus, das kein Cushing vorliegt. Oft wird gegen diesen Test argumentiert, da das Risiko einer Hufreheerkrankung nach der Kortison Injektion nicht komplett ausgeschlossen werden kann.
Doch sollte man hier abwägen und sich nicht nur auf eine Diagnose verlassen, da nach einer positiv getroffenen Diagnose bisher die einzige Therapiemöglichkeit in der Gabe von Prascend (Pergolid) besteht. Der Test kann aber nur durchgeführt werden wenn das Pferd noch kein Prascend erhält.

Pergolid ist ein chemisches Derivat eines Mutterkornalkaloides, also eines giftigen Getreidepilzes. Pergolid ahmt die Wirkung des körpereigenen Botenstoffs Dopamin nach und dadurch wird die vermehrte Abgabe von ACTH gehemmt.



• Appetitlosigkeit

• Niedergeschlagenheit

• Durchfall und Koliken

• Vermehrtes Schwitzen

• Leichte Ataxie

Menschen, die mit Pergolid behandelt worden sind, berichten auch über Schlafstörungen, Halluzinationen und Übelkeit.
Studien zur Folge kann Pergolid beim Menschen fibrotische Herzklappenschäden verursachen, weswegen es in manchen Ländern (z. B. USA, Schweiz und Schweden) bereits vom Markt genommen wurde. Pergolid wird zu den sogenannten „Dirty Drugs“ gezählt. Es wirkt nicht nur auf die Dopaminrezeptoren, sondern auch auf andere Bindungsstellen. Das führt zu einer Vielfalt an Nebenwirkungen.

Für Pferde die tatsächlich an Cushing erkrankt sind, stellt Pergolid im Moment die einzige Alternative dar und kann neben einem guten Futter, Bewegung und Stressvermeidungsmanagement dabei helfen, dem Pferd ein Stück weit Lebensqualität zurückzugeben, doch am Anfang sollte immer eine korrekte Diagnose stehen und ähnliche Krankheitsbilder (wie z.B. EMS, Hufrehe, Insulinresistenz, Borrelliose, Magengeschwüre und KPU) sollten soweit wie möglich ausgeschlossen werden.


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